Zeitzeugen berichten

Hilde Nicolussi: Aufbau der deutschen Schule

Hilde Nicolussi

Hilde Nicolussi, geboren am 21. November 1914, hat die Südtiroler Schulgeschichte seit dem Ende des Ersten Weltkriegs miterlebt und in entscheidenden Phasen mitgeprägt. In der Zeit faschistischer Unterdrückung unterrichtete sie als Katakombenlehrerin, ab 1940 organisierte sie an der Amtlichen Deutschen Ein- und Rückwanderungsstelle in Bozen die Einschulung Südtiroler Kinder an den Reichsschulen für Volksdeutsche in Rufach (Elsaß) und Achern (Schwarzwald). Ab 1945 half sie zunächst im Schulamt am Wiederaufbau der deutschen Schule mit, um dann bis 1980 an verschiedenen Volksschulen zu unterrichten. Nicolussi lebt seit ihrer Geburt in Bozen.

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Die Schule bestimmte ihr Leben: Hilde Nicolussi hat sich über 50 Jahre lang für die deutsche Schule in Südtirol eingesetzt. 1945 war sie am Wiederaufbau des Schulwesens beteiligt. Die gesamte Lehrerschaft ging nach 1945 mit viel Enthusiasmus an die Arbeit: „Nach dem Kriegsende hatten wir eine richtige Freude, endlich ohne politische Vereinnahmung oder Unterdrückung das deutsche Schulwesen wieder aufbauen zu dürfen. Das galt natürlich besonders für diejenigen Lehrer, die in der Zeit des Faschismus in andere Provinzen zwangsversetzt wurden oder die, wie ich, als Katakombenlehrer heimlich unterrichtet hatten.“

Im September 1945 wurde Nicolussi, die in den Kriegsjahren an der Umsiedlungsstelle Verwaltungserfahrung im Schulbereich gesammelt hatte, zur Mithilfe an das Schulamt berufen. „Anfangs bereitete ich die Dekrete vor, die es den Lehrern überhaupt erlaubte, zu unterrichten. Dies war notwendig, weil es in Südtirol ja seit annährend 30 Jahren keine Lehrerausbildung mehr gab und die Lehrer entsprechend ihrer - wo auch immer erworbenen – Qualifikation für die Unterrichtstätigkeit zugelassen werden mussten“, erzählt Nicolussi. Der Unterricht begann im Oktober ohne größere Schwierigkeiten. „Dadurch, dass viele Altlehrer da waren, die in der Faschistenzeit nicht unterrichten durften, ist der Neuanfang relativ problemlos über die Bühne gegangen“, beschreibt die rüstige Pensionistin den Start.

Ihre erste Stelle als Lehrerin nach Kriegsende trat Hilde Nicolussi Ende Oktober 1945 in Oberinn am Ritten an. „Die Schule war zweiklassig. In meiner Klasse saßen 65 Schüler. Das klingt unglaublich, aber es war gar nicht so schlimm“, meint die 91-Jährige heute rückblickend. „Das Unterrichtsmaterial haben wir uns selber zusammenbasteln müssen. Ich habe beispielsweise alle Fibeln für meine Erstklässler selbst hergestellt. Das war kein Problem. Man hat sich einfach zu helfen gewusst. Die ersten Schulbücher gab es erst in den 50er Jahren“, so Nicolussi.