Zeitzeugen berichten

Johannes Noisternigg: „Gemeinsam werden wir es schaffen“

Johannes Noisternigg

Johannes Noisternigg, geboren am 16. April 1935 in Meran, absolvierte nach der Matura 1956 am Lyzeum im Johanneum das Priesterseminar in Trient und wurde 1961 zum Priester geweiht. Als Kooperator war er zunächst in Kastelruth, dann in Bozen tätig, ab 1974 stand er der Pfarre Terlan, seit 1989 steht er der Dompfarre Bozen als Dekan vor.

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Ich war noch ein junger Bub, als der Zweite Weltkrieg 1945 beendet wurde“, erzählt der Dekan der Bozner Dompfarre Maria Himmelfahrt, Johannes Noisternigg. „Ich war ein Meraner Laubenkind, mein Vater war im Krieg und dann in Gefangenschaft. Während der Kriegsjahre besuchte ich zuerst die italienische, dann die deutsche Schule. Das Kriegsende erlebte ich als einschneidendes Ereignis. Vieles war plötzlich anders: Ich erinnere mich an die Rückkehr der Soldaten, an lebhafte Diskussionen über die mögliche politische Zukunft und Entwicklung unseres Landes, an Zerstörungen, an materielle Not, aber auch an ein größeres Miteinander, Gespräche, Zusammenkommen trotz mancher Spannungen, die ich als Kind nicht so mitbekommen habe.“

Das Jahr 1946 war ausschlaggebend für Südtirols politischen Werdegang. Als „fleißiger Ministrant“ folgte Johannes Noisternigg mit Begeisterung der Einladung seines Taufpaten, am 150. Jubiläum der Herz-Jesu-Feier samt Prozession und Gelöbniserneuerung teilzunehmen. „Die Teilnahme an der Feier am 30. Juni in Bozen wurde über die Pfarreien vorbereitet, die Bischöfe der beiden Diözesen, der Erzdiözese Trient, Karl von Ferrari, zu der Bozen gehörte, und der Bischof von Brixen, Johannes Geisler, hatten zur Teilnahme aufgerufen“, so Noisternigg, „schon die Anreise mit der Dampf- Eisenbahn war für mich ein Erlebnis: an jeder Haltestelle stiegen immer wieder viele Menschen - in Tracht, mit Musikinstrumenten - in den schon vollen Zug.“

„Nach einer langen, aufregenden Fahrt in Bozen angekommen zogen wir mit dem Menschenstrom Richtung Waltherplatz, an großer Zerstörung vorbei. Dort ragte der Turm der damaligen Pfarrkirche in den strahlend blauen Himmel, daneben der Trümmerhaufen des zerbombten Kirchendachs, des Kirchenschiffs, der Propstei“, erinnert sich Noisternigg weiter. „Der Platz, auf dem es damals weder das Sparkassengebäude noch das Walther-Denkmal gab, wurde voll und voller. Es ging nicht laut her, aber andächtig und stimmungsvoll. Tausende von Menschen, darunter vor allem einfache Leute, bäuerliche Leute, gezeichnet von Entbehrungen, Dableiber und Optanten, Rückkehrer aus dem Krieg, aus allen Landesteilen sogar aus Cortina und dem Fassatal füllten den Platz. Obwohl Präfekt und Bürgermeister anwesend waren, fiel kein einziges italienisches Wort.“ Die religiöse Bedeutung des Festes war für Noisternigg vordergründig.

„Natürlich“, so der Bozner Dekan, „spürte man das Zusammenstehen und den Zusammenhalt: Wir sind ein Volk, gemeinsam werden wir es schaffen.“ Aus heutiger Sicht gibt er der damaligen Feier Bedeutung für das Miteinander in diesem Land, die Beteiligung am religiösen Leben allerdings sei in den vergangenen 60 Jahren „zu einer persönlichen Entscheidung herangereift“.