Archivale des Monats

Eine Kesselstube und vier Brennkessel

Branntweinerzeugung im Jahr 1856

Familienarchiv Brigl, Nr. 119

Branntwein, also durch Destillation gewonnene hochprozentige Getränke, erfreute sich seit jeher großer Beliebtheit und war eine stets sichere Einnahmequelle. Als Ausgangbasis wurden dabei die jeweils verfügbaren Rohstoffe verwendet, im Überetsch waren dies naturgemäß die Abfallprodukte der Weinproduktion, also die ausgepresste Traubenmaische, die sogenannten Tröstern oder Tröbern, die in Südtirol oft auch als „Praschglet“ bezeichnet werden.
Einen Einblick in die damaligen Gepflogenheiten der Branntweinbrennerei bietet eine für die Behörden im Oktober 1856 erstellte Beschreibung der Brennlokalitäten von Johann Peter Brigl und seinem Sohn Karl, Weingutsbesitzer und Weinhändler in Girlan. Zusammen mit einer zeitgleich erstellten Auflistung aller Brennkessel, Kühlwannen und Branntweinbehälter samt Rauminhalt bekommen wir eine präzise Vorstellung der Brigl‘schen Kesselstube: In dem ebenerdigen Raum standen auf gemauerten Öfen vier Brennkessel mit Helmen und Kühlrohren (oder Steigrohren), in denen der aufsteigende Dampf kondensierte und in darunter stehenden Behältern, „Untersetzpanzelen“ aufgefangen wurde.
Wie arbeitsintensiv der Brennvorgang war, beschreibt Johann Peter Brigl in einem wohl ebenfalls in den 1850er Jahren verfassten Schreiben an die k. k. Finanzverwaltung in Brixen, in denen er aus Gründen der Wirtschaftlichkeit um die Erlaubnis zum nächtlichen Brennen ansuchte:

1. Beÿ der Brandweinerzeugung haben wir bisher folgendes Verfahren angewendet. Am ersten Tag in der Frühe wird eingerichtet, und die Häfen angezündet. An diesem ersten Tage muß immerdar Holz nachgelegt werden um die nöthige Hitze zu gewinnen, weil das Mauerwerk der Häfen noch ganz kalt ist, und man bedarf daher viel Holz. Man kann annehmen, daß beym erstemal (!) Brennen 1/6 weniger Brandwein herabkommt. Abends werden die gebrannten Tröbern herausgenommen, wiederum frisch eingerichtet, angeschürt und weil der Brennofen bereits warm ist, so braucht es keine weitere Nachlegung von Holz, sondern der Brandwein läuft in der Nacht herunter. Gewöhnlich pflegt man beÿ der Nachtbrennerei, sowohl guten als Nachbrandwein zusammen herablaufen zu lassen. Dieser wird aber am folgenden Tag auf die nun eingerichteten Tröbern aufgeschüttet und im Verlaufe des Tages herabgelassen. Durch dieß Verfahren wird erzweckt, daß der Brandwein klüger [d. h. feiner] und angenehm zu trinken wird. […]


Übrigens wurden Destillate im Tiroler Raum bis ins 20. Jahrhundert hinein als „Branntwein“ bezeichnet. Der aus dem Niederdeutschen stammende Begriff „Snaps“ (schneller Schluck) gelangte wohl vermehrt mit dem Fremdenverkehr ins Land und hat den älteren Begriff in der Umgangssprache mittlerweile fast vollständig verdrängt.

ep

PT

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