Zeitzeugen berichten

Maria Garbari: Für die Regionalautonomie

Maria Garbari

Maria Garbari ist seit 1996 Präsidentin der „Società di Studi trentini di Scienze storiche“. Zuvor war sie Dozentin für Zeitgeschichte an der Freien Universität für Sprachen und Kommunikation Mailand/Feltre. Von 1995 bis 1998 saß sie im wissenschaftlichen Beirat des „Istituto storico italo-germanico“. Bei der Herausgabe der gesammelten Werke Alcide Degasperis war sie wissenschaftliche Beraterin. Die Trentinerin hat über 250 Arbeiten veröffentlicht. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Irredentismus, der faschistische Widerstand, die Operationszone Alpenvorland und nicht zuletzt die Autonomiegeschichte sowie der Pariser Vertrag

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Am 5. September 1946 stand die Trentinerin Maria Garbari kurz vor ihrem ersten Schultag am Gymnasium. Obwohl sie damals noch sehr jung war, empfand die Historikerin und Universitätsdozentin die Jahre unmittelbar nach dem Krieg als einen historisch bedeutenden Zeitabschnitt. Garbari führt dies vor allem darauf zurück, dass sich ihre Eltern, Ezio Garbari und Angela Ceola, sehr für das politische Geschehen interessierten und zu Hause oft die Politik das Gesprächsthema Nummer eins war.

Garbari: „Meine Eltern und ihre Gäste diskutierten daheim oft über die Autonomie. Dabei hatten sie wie alle Trentiner ganz selbstverständlich eine Regional-Autonomie vor Augen. Geredet wurde zuhause auch über die Autonomiebewegung ASAR. Man befürchtete, die ASAR könnte auf die separatistische Karte setzen. Wir waren nämlich für die Autonomie, aber in erster Linie waren wir Italiener“.

Laut Garbari sei die politische Entwicklung in ihrem Umfeld ein wichtiges Thema im Alltag gewesen, dem Gruber- Degasperi-Abkommen sei allerdings keine besondere Bedeutung beigemessen worden: „Dieses Abkommen wurde von den Trentinern als unwichtig empfunden. Auch der ‚Corriere Tridentino’ widmete dem Vertrag nur einen kleinen Bericht. Allgemein begriff man damals die Tragweite des Gruber-Degasperi-Abkommens nicht. Die Tragweite des Vertrages - die internationale Verankerung und der Schutz einer ganzen Minderheit und nicht nur des einzelnen Individuums - wurde damals nicht erkannt. Der Pariser Vertrag wurde einfach als Teil eines großen Ganzen auf dem Weg hin zur Autonomie verstanden“.

Maria Garbari weist noch auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: „Obwohl meine Eltern überzeugte Irredentisten waren, traten sie nach den Erfahrungen mit dem Faschismus begeistert für eine Autonomie ein. Was die deutschsprachige Minderheit anbelangt, bestand zwar die Angst vor einem ,Irredentismo di rovescio‘, trotzdem wurden die kulturellen Besonderheiten und Rechte der Volksgruppe anerkannt. Es gab keinen Groll und keine Diskriminierung den Südtirolern gegenüber. In den Autonomie-Vorschlägen aller politischen Bewegungen kam dies zum Ausdruck: alle sahen den Schutz der deutschen Minderheit vor.“